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C. U. Wiesner 
Frisör Kleinekorte 

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„Nehmse Platz, Herr Jeheimrat! Was gibsn Neues aufm Bau? Wieder Nachtschicht gehabt?“
Mit diesen Worten begrüßte der Frisörmeister Kowalczik gewöhnlich fast jeden seiner Stammkunden, ob das nun ein alter Zausel oder ein junger Spund wie ich damals war.
Ende der fünfziger Jahre wohnte ich im Bezirk Prenzlauer Berg in einer Untermieterbude am Arnswalder Platz. Gleich um die Ecke, in der Dimitroff-, heute Danziger Straße, lag des Altberliner Figaros armseliger, aber sauberer kleiner Laden, der mich mit seinen vielfältigen Utensilien an das Bühnenbild eines frühen Gerhart-Hauptmann-Dramas erinnerte. An der Tür hing ein handgeschriebenes Schild: Freitag und Sonnabend kann ich Kinder keine Haare schneiden. Den Frisierstühlen gegenüber prangte halblebensgroß eingerahmtes handkoloriertes Foto. Es zeigte den schnauzbärtigen Ladenbesitzer in der kleidsamen Infanteristenuniform des Ersten Weltkriegs, neben sich, wie einen Hund an der Kette, ein wassergekühltes Schweres Maschinengewehr auf Rädern, darunter ein Schild: Wir Herrenfrisöre kämpfen für den Frieden.
Solange Meister Kowalczik seinen Kunden bediente, vom Kittelumbinden bis zum Kragenabbürsten, redete er auf ihn ein. Monologe voller skurriler Lebensweisheiten und komischen Döntjes aus seinen langen Erdentagen. Die weitere Personnage bestand aus seiner Ehefrau, Muttern, die höchstens mal mit einem Töppken Kaffe in Erscheinung trat, aber in den Erzählungen ihres Mannes eine gewisse Rolle spielte.
Eigentlich wollten alle Kunden am liebsten nur vom Meister selber bedient werden. Kam man aber zu spät, so musste man mit seinem Jehülfen, Herrn Kafforke, vorlieb nehmen. Der hatte leider nur zwei Themen. Kopfschuppen und Urlaub. Bei letzterem verlief der Dialog etwa so:
„Wahns denn dies Jahr schon uff Urlaub?“ – „Ja.“ – „Wo wahnsen?“ – „In Bad Liebenstein.“- „Kenn ick.“
Den ersten Monolog in diesem Buch, Frisör Kleinekorte trauert verlorenen Werten nach, habe ich mir fast wörtlich aus dem Gedächtnis notiert.
Der echte Kleinekorte betrieb dereinst in meiner Heimatstadt Brandenburg einen Branntweinausschank. Auch der Name Kafforke ist nicht ganz erfunden. Kafurke hieß ein Gehilfe in dem für damalige Verhältnisse geradezu vornehmen Salon Wallik. Der lag genau gegenüber dem Eulenspiegel Verlag in der Berliner Kronenstraße. Und dort ließen sich sogar hohe Staatsfunktionäre die Haare schneiden, zum Beispiel der Präsident der Akademie für Landwirtschaftswissenschaften Prof. Dr. Stubbe.



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Inhaltsverzeichnis

Frisör Kleinekorte trauert verlorenen Werten nach
Frisör Kleinekorte äußert sich zu Fragen der
Weltraumschifffahrt
Frisör Kleinekorte wird es warm ums Herze
Frisör Kleinekorte wettert gegen die Klatschmäuler
Frisör Kleinekorte war in Pietzkau
Frisör Kleinekorte sieht das mit seinen Augen
Frisör Kleinekorte hört den Frühling rauschen
Frisör Kleinekorte als Theaterkritiker
Frisör Kleinekorte kann, wenn er will
Frisör Kleinekorte berichtet über ein Kunsterlebnis
Frisör Kleinekorte in Weimar
Frisör Kleinekorte badet in den Wellen der Kultur
Frisör Kleinekorte äußert Herbstgedanken
Frisör Kleinekorte besucht den Weihnachtsmarkt
Frisör Kleinekorte war wieder mal in Pietzkau
Frisör Kleinekorte als Kriminalexperte
Frisör Kleinekortes Schulweisheiten
Frisör Kleinekorte belichtet sich selber
Frisör Kleinekorte feiert Jubiläum
Frisör Kleinekorte auf der Wartburg
Frisör Kleinekorte und sein Enkel
Frisör Kleinekorte als Sportskanone
Frisör Kleinekorte als rüstiger Reiserentner
Frisör Kleinekorte hat Liebeskummer
Frisör Kleinekorte hält nichts von Politik
Frisör Kleinekorte hört die Glocken läuten
Frisör Kleinekorte bedient einen höheren Beamten
Frisör Kleinekorte vor dem Tor des Todes

Über den Autor

C. U. Wiesner
Geboren im letzten Monat der Weimarer Republik, am Neujahrstag 1933, in der einstigen märkischen Hauptstadt Brandenburg, entwich nach dem Abitur den heimatlichen Stadtmauerzwängen, gelangte in eine etwas größere Hauptstadt, ohne zu ahnen, dass man dort schon zehn Jahre später aus väterlicher Sorge bemüht sein würde, ihm den Horizont mit erheblicherem Bauaufwand zu verstellen.
Eines Tages mochte er fürder nicht mehr in der eingefriedeten Hauptstadt leben und zog es vor, in die vertrauten märkischen Wälder zurückzukehren.
Dank prophetischer Gaben bestellte er den Möbelwagen von Berlin-Pankow nach Klosterfelde für den 9. November 1989.
Während des achtunddreißigjährigen Berlin-Aufenthalts:
Studien als Dolmetscher für Englisch; Germanistik und Filmszenaristik (diese im Gegensatz zu jenen hin und wieder angewandt).
Tätig als Lektor, Redakteur, Reporter, Theaterkritiker, Mitarbeiter der satirischen Zeitschrift Eulenspiegel, Entertainer in eigener Sache, Schauspieler (leider zu selten) und (vorwiegend) Schriftsteller.
Sein bekanntestes Geschöpf ist der Frisör Kleinekorte, den das Berlin-Brandenburgische Wörterbuch zu Recht an die Seite der Volksfiguren von Glaßbrenner und Tucholsky stellt.
C.U.W. schrieb u. a. Hörspiele, Kabarett-Texte, Fernsehfilme und Fernsehserien (u. a. Gespenstergeschichten wie Spuk unterm Riesenrad, Spuk im Hochhaus, Spuk aus der Gruft für Kinder von 8 bis 88 Jahren) sowie dreizehn Bücher, vom Kinderbuch über den Kriminalroman, die satirische Darstellung eigener Umwelt im weitesten Sinne bis zum bitteren erst um die Jahreswende 1989/90 nach einiger Verzögerung erschienenen Märchenroman für Erwachsene Die Geister von Thorland, Machs gut, Schneewittchen! und Lebwohl, Rapunzel! erzählen von den Kinder- und Jugendjahren in der Havelstadt Brandenburg.

Sprache Deutsch ● Format PDF ● Seiten 135 ● ISBN 9783863944032 ● Dateigröße 1.0 MB ● Verlag EDITION digital ● Ort Pinnow ● Land DE ● Erscheinungsjahr 2013 ● herunterladbar 24 Monate ● Währung EUR ● ID 2806802 ● Kopierschutz Soziales DRM

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