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Jürgen Ritschel 
Harte Jahre 
Roman

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Habent sua fata libelli – Bücher haben ihre Schicksale – so lautet ein berühmtes lateinisches Sprichwort: Im Leben eines Buches oder eines künftigen Buches kann viel passieren. Genau das ist diesem Roman passiert – er wurde gleich zweimal aus dem Verkehr gezogen: Zunächst wurde er aus dem Mitteldeutschen Verlag in Halle an den DDR-Militärverlag in Berlin weitergereicht. Und wieder war dieser Roman weg vom Fenster. So langsam sinkt die Zahl derjenigen, die sich noch an ihre Zeit bei der Fahne und an die dort herrschenden Bedingungen erinnern können. Und damit sind wir bei einem Hauptthema dieses aufmüpfigen Buches – beim Widerspruch von Sein und Schein, wie er in der DDR nicht länger zu verbergen war – auch in der Armee des Volkes nicht. Das muss auch Werner Rosenkranz erfahren, der sich gleich nach dem Abitur als Soldat meldet und Funktechniker einer Fliegerabwehr-Raketeneinheit wird:
Rosenkranz hatte sich beim Geländelauf einen Knöchel verstaucht und hinkte. Darum hinkte er auch beim Laufschritt vom Kompaniegebäude zum Essensaal, und er hinkte beim Laufschritt vom Essensaal zum Kompaniegebäude. Die Offiziersschüler standen an jeder Biegung, jeder Ecke, jedem Flur, jedem Treppenabsatz und heizten die frischen Kanoniere an. „Laufen Sie! Laufen Sie!“
Von überall her drangen diese Rufe. Ein Kanon der Hatz. Und Rosenkranz hinkte an einem der Antreibenden vorbei.
„Laufen Sie! Sie sollen laufen!“
„Kann nicht. Bein verstaucht.“ Rosenkranz hatte es schnoddrig gesagt, provokant, wütend, weil er auf Strenge und auf gesunden Leistungsdruck eingestellt war, nicht aber auf Vorgesetzte, die ihn mit Genuss nach ihrer Laune tanzen ließen und die sich beim Antreiben gegenseitig zu übertrumpfen suchten. Er hinkte absichtlich stärker und lief langsamer. Das war er seinen Schmerzen schuldig und seinem Stolz. Der Offiziersschüler rannte ihm nach, baute sich vor ihm auf. Sehr dicht. Seine Stimme nahm eine hohe Tonlage an. „Was bilden Sie sich ein, wer Sie sind? Ich hatte befohlen: Laufen Sie! Name und Gruppe. Sie melden sich im Gruppenführerzimmer!“
Rosenkranz nannte Namen und Gruppe, aber er versprach sich vor Erregung. Er wusste, etwas Unangenehmes würde folgen. Warum? Er wurde zum Essen gehetzt; er wurde nach dem Essen gehetzt. Früh, mittags, abends. Man trieb ihn an. Warum? Man ignorierte seinen Schmerz im Knöchel. Warum? War das nicht der Auftakt, ihm seine Würde auszutreiben, seinen Charakter zu brechen? Stimmte solche Art mit dem vorgegebenen Geist dieser Armee überein?
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Über den Autor

Jürgen Ritschel
Geboren 1943 in Roßlau/Elbe. Erweiterte Oberschule in Roßlau. Abitur. Armeezeit als Soldat.
Studium an der TU Dresden, Fachrichtung Feinwerktechnik-Regelungstechnik. Arbeit in mehreren Betrieben als Konstrukteur und Wissenschaftlicher Mitarbeiter, längste Zeit im Zentrum Forschung und Technik Robotron Dresden.
Erste Schreibversuche während des Studiums. Sechs Jahre neben dem Beruf Autor in einem Berliner Arbeitkreis Dramatik, der betreut wurde von Dramaturgen und Regisseuren aus Theatern, Rundfunk und Film. Teilnahme des Arbeitskreises an Poetenseminaren in Schwerin. Der Arbeitskreis war eine wichtige Etappe auf dem Weg zum Schriftsteller.
Seit 1978 freiberuflicher Schriftsteller. Leiter des Zirkels schreibender Arbeiter im Stahl- und Walzwerk Riesa. 1982 Umzug von Dresden in die Sächsische Schweiz. Mitglied im Schriftstellerverband der DDR.
Nach der Wende Mitglied im Verband Deutscher Schriftsteller (VS) der BRD und im Förderverein für Literatur e.V. in Dresden. Sozialhilfe, Übernahme in die Arbeitlosigkeit.
Ab 1994 freiberufliche Tätigkeit als Textbüro und Schriftsteller. 1999 Austritt aus VS und Förderverein. Durchführung von Literaturwerkstätten in Kleingießhübel.
1995 Leiter der Literaturwerkstatt des Kulturraumes Elbtal mit den Stadtbibliotheken Riesa und Meißen und der Karl-Preusker-Bibliothek Großenhain. Gefördert vom Kulturkonvent dieses Kulturraumes. Nach Erweiterung des Kulturraumes: Literaturwerkstatt des Kulturraumes Meißen-Sächsische Schweiz-Osterzgebirge, Ausübung bis heute. Entwicklung neuer Autoren bis zur Veröffentlichungsreife.
Verlagsgründung 2003. Seit 2005 Leiter der Schreibwerkstatt des Nationalparkzentrums Bad Schandau. Gründer und Schirmherr der Autorengruppe Elbtal, die sich in der Gründungsphase befindet.
Bibliografie
Barackencarlos. Roman, Mitteldeutscher Verlag, Halle – Leipzig 1981
Hoffnungen. Erzählungen, Militärverlag der DDR, Berlin 1987
Harte Jahre. Roman, Brandenburgisches Verlagshaus 1990
Klara Leopoldina Morgengold. Kurze Erzählungen, Verlag Jürgen Ritschel, 2004
Anne hat heut Nacht geträumt… Kinderbuch, Verlag Jürgen Ritschel, 2006
Ein Wort der Kunst. Essays, Verlag Jürgen Ritschel, 2008
Leben in Elbgebieten. Anthologie (Kunst, Natur, Gesellschaft), Verlag Jürgen Ritschel, Heft 1 im Jahr 2003, Heft 2 im Jahr 2004
Sprache Deutsch ● Format EPUB ● Seiten 389 ● ISBN 9783863947859 ● Dateigröße 0.8 MB ● Verlag EDITION digital ● Ort Pinnow ● Land DE ● Erscheinungsjahr 2012 ● herunterladbar 24 Monate ● Währung EUR ● ID 2519929 ● Kopierschutz Soziales DRM

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